Die Verlagerung der jüdischen Welt von Ost nach West im Mittelmeerraum war ein langwieriger Prozeß, der im Hochmittelalter seinen Höhepunkt erreichte, als sich die Juden aus dem Nahen Osten und Nordafrika in Süditalien, Spanien, Frankreich und Süddeutschland ansiedelten und zu stattlichen Gemeindegrößen anwuchsen. Unter dem Kalifen von Corduba Abd Ar Rahman III. begann die große Zeit der sephardischen Juden in Spanien. Bis zu den verheerenden Verfolgungen im Jahr 1391 setzte sich diese Blütezeit auch unter christlicher Vorherrschaft fort. Schließlich wurde auf die wachsende Präsenz und erlangte wirtschaftliche Bedeutung der Juden im Westen mit nachhaltigen Maßnahmen reagiert.
So ist es sicher kein Zufall, daß das spanische Königspaar Ferdinand und Isabella die Juden ausgerechnet im Jahr 1492 vor die Wahl stellte, bis zum 2. August das Land zu verlassen oder sich taufen zu lassen. |
An diesem Tag nämlich sollte Christoph Kolumbus zu seiner ersten Expedition, den schnellsten Seeweg nach Indien zu finden, aufbrechen. Natürlich versprach sich das Königspaar regen Handel mit diesem an Rohstoffen reichen Kontinent, um den eigenen Wohlstand und den der Kirche zu mehren. Und wer konnte da mit seiner Weltgewandtheit, Sprachmächtigkeit und seinem wirtschaftlichen Einfluß nicht die größte Konkurrenz sein, wenn nicht die Juden Spaniens, die sich überdies auch noch dem Zugriff der Kirche auf ihre wirtschaftlichen Möglichkeiten entzogen, da sie keine Abgaben an den Klerus zu leisten brauchten. So markiert das Jahr 1492 das Ende einer der bedeutungsvollsten Kulturen im sogenannten christlichen Abendland, das Ende der sephardischen Juden Spaniens. Spuren emigrierter sephardischer Juden finden sich bis heute in Amsterdam und Hamburg, wo sie sich nach ihrer Flucht aus Spanien vornehmlich niedergelassen hatten und u.a. bedeutende Verlage und Bankhäuser begründet haben.
In nahezu achthundert Jahren (ca. 711-1492) war auf der iberischen Halbinsel die erste eigenständige jüdische Kultur in Sprache, dem Ladino, Literatur, Musik und Wissenschaft auf europäischem Boden entstanden, die ihresgleichen seit dem 11.Jhdt. nur noch in Polen, Weißrußland und der Ukraine hatte. |